Die vorliegenden Leitlinien wurden von einer Projektgruppe der Gesellschaft für Medizinische Kräftigungstherapie (GMKT-D) erstellt, dann im Vorstand diskutiert und am 26.04.2021 verabschiedet.
Die vorherige Form der Leitlinien vom 18.10.2014 (Version 2.2) wurde an die veränderten Rahmenbedingungen im Gesundheits- und Präventivumfeld angepasst sowie durch weitergehende Erfahrungen und Fortschritte in der Durchführung der MKT ergänzt.
Nach Auflösung der GMKT als internationale Gesellschaft (27.05.2016), gelten die Leitlinien ausschließlich für die Gesellschaft für Medizinische Kräftigungstherapie Deutschland (GMKT-D) und gelten beziehen sich in erster Linie auf den Gesundheitsbereich in Deutschland.
Die GMKT-D ist eine deutschsprachige Fachgesellschaft. Sie hat den Zweck, die Idee der aktiven muskulo-skelettalen Rehabilitation auf wissenschaftlicher Grundlage zu verbreiten. Ebenso soll die GMKT-D dem Austausch wissenschaftlich-medizinischer Erfahrungen dienen. Im Weiteren soll sie als Gesellschaft gegenüber Medien, Kostenträgern (Krankenkassen, Versicherungen), Patienten, medizinischen Standesorganisationen und interessierten Personen auftreten. Die GMKT-D hat keine Gewinnerzielungsabsicht, die Erstellung dieser Leitlinien wurde von keinen kommerziellen Interessen gefördert.
Folgende Gutachten wurden über die Medizinische Kräftigungstherapie (MKT) erstellt:
- Dr. G. Rompe und Dr. G. F. Finkbeiner für den Berufsverband der Ärzte für Orthopädie
- Dr. med. W. Puhl für die Hauptverwaltung der Deutschen Krankenversicherung
- G. Tidow für die Universität Bochum
- Beschlüsse des Gebührenordungsausschusses der Bundesärztekammer (18.01.2002), veröffentlicht im Deutschen Ärzteblatt 18.01.2002
Die GMKT-D stellt durch ein Zertifizierungssystem die Qualität der MKT in den Mitgliedsbetrieben sicher und schult Therapeuten nach den folgenden Leitlinien. In diesem Rahmen definiert und überwacht sie die Parameter von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität.
Die vorliegenden Leitlinien orientieren sich an den »Consensus Guidelines for the Utilization of MedXTM Medical Testing and Excercise Machines in Spinal Rehabilitation Programs«. Diese Leitlinien erarbeitete ein Steering-Komitee aus Wissenschaftlern von mehreren Universitäten und Anwendern des MedXSystems 1997 in den USA.
Grundlage der Leitlinien sind neben der langjährigen Praxis aus Nordamerika, die Erfahrungen aus über 100 Praxen für Medizinische Kräftigungstherapie in Europa. Eine Aktualisierung erfolgt, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse bzw. eine Optimierung im Gerätebau dies erfordern. Jährlich wird die Aktualität dieser Leitlinien durch den Vorstand der GMKT geprüft.
Zuletzt aktualisiert am 14.06.2021
1. Ziele der Leitlinien
Erkrankungen des Rückens und der Wirbelsäule, sog. Dorsopathien, sind eine große medizinische und gesundheitsökonomische Herausforderung.
Dies ist begründet durch:
- die hohe Prävalenz dieser Erkrankungen
- den oft rezidivierenden bzw. chronischen Verlauf
- den hohen Anteil an Arbeitsunfähigkeit, Krankenhausaufenthalten und Frühberentungen
- die hohen direkten und indirekten Krankheitskosten
- das Fehlen verbindlicher Vorsorge- und Behandlungsstrategien
- den Zusammenhang dieser Erkrankungen mit dem Lebensstil des Patienten.
Es besteht ein wissenschaftlich eindeutig bewiesener Zusammenhang zwischen der Schwäche der tiefliegenden, Wirbelsäulen-stabilisierenden Muskulatur und den chronischen Rückenschmerz-Syndromen (s. Absatz 3). Eine gezielte Kräftigung der autochthonen Streckmuskulatur im Bereich von Hals- und Lendenwirbelsäule, ergänzt durch eine allgemeine Kräftigung der Rumpf- und Stützmuskulatur, führt in vielen Fällen zu einer Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung.
Seit 1988 erfolgt die Umsetzung dieser Erkenntnisse in die Praxis der Funktionsdiagnostik und Therapie von Wirbelsäulenerkrankungen. In vielen mitteleuropäischen Ländern entstehen Behandlungszentren, teilweise unter Modifizierung der Methodik und der zum Einsatz kommenden Geräte. Ziel dieser Leitlinien ist es, einen Standard zur Sicherung von Behandlungsqualität, Wissenschaftlichkeit und Wirtschaftlichkeit bei der Anwendung des beschriebenen Verfahrens zu definieren. Diesem unterliegen insbesondere:
- Auswahlkriterien, Indikationen und Kontraindikationen
- Methodik und Therapieprotokolle
- Qualifikation und Fortbildung
- Einrichtung und technische Voraussetzungen
- Dokumentation
- Qualitätssicherung
Die Leitlinien schreiben keine festen Gebühren und Honorare vor. Unter den beschriebenen Voraussetzungen entsteht allerdings ein Korridor, innerhalb dessen Vereinbarungen mit den Betroffenen bzw. deren Kostenträgern liegen müssen, wenn Qualität und Wirtschaftlichkeit gewährleistet sein sollen. Dies kann die Basis länderspezifischer Rahmenvereinbarungen werden.
Die Bindung an die vorliegenden Leitlinien erfolgt auf der Basis einer freiwilligen Selbstverpflichtung der einzelnen Anwender. Vor der Akkreditierung werden die Voraussetzungen des MKT-Anwenders durch einen Fragebogen und gegebenenfalls Vorort-Besuche von autorisierten Vertretern der GMKT-D geprüft. Ein geschütztes GMKT-Siegel gewährleistet Transparenz gegenüber Patienten und Krankenkassen.
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2. Behandlungsziele, Abgrenzung, Definition
Die Medizinische Kräftigungstherapie ermöglicht eine sichere und wissenschaftliche Funktionsdiagnostik und Behandlung chronischer Erkrankungen der Wirbelsäule. Sie ist eine ambulante Behandlungsform und erfordert die aktive Mitarbeit des Patienten*.
Ziele sind die Verbesserung der Funktionalität und eine Schmerzreduktion durch:
- die Steigerung der Maximalkraft und Wiederherstellung der neuromuskulären Funktionalität
- der autochthonen Wirbelsäulenextensoren über einen möglichst großen Bewegungsumfang
- den Abbau intramuskulärer Dysbalancen
- die Vergrößerung des Bewegungsumfanges der Wirbelsäule
- die begleitende Kräftigung der Rumpf- und Stützmuskulatur, z.B. Bauchmuskulatur
Diese Faktoren werden vor, während und nach einer Therapie dokumentiert und dienen der Objektivierung des Behandlungsergebnisses. Um von einer Medizinischen Kräftigungstherapie im Sinne dieser Leitlinien sprechen zu können, müssen die Daten dieser Faktoren zwingend erhoben werden können. Eine Therapiemethode kann als Medizinische Kräftigungstherapie (MKT) definiert werden, wenn folgende Kriterien der Struktur- und Prozessqualität erfüllt sind:
- ärztliche Indikationsstellung sowie Leitung des Behandlungsbereiches und der Therapie
- Eins-zu-eins-Überwachung durch einen zertifizierten Therapeuten
- Isolation der zu behandelnden autochthonen Wirbelsäulenstreckmuskulatur
- Kompensation der Gravitation
- dynamisches konzentrisch / exzentrisches Training gemäß der physiologischen Kraftkurve
- isometrischer Maximalkrafttest in mindestens drei Messpositionen
- Funktionsdiagnostik und Kräftigung der Extensoren der Lenden- oder Halswirbelsäule
- Messung der Nettomuskelkraft durch Berücksichtigung der Weichteilspannung
- ergänzendes Training der rumpfstabilisierenden Muskulatur an technisch optimierten Geräten
- Geeignete Maschinenkonzepte: MedX (LE/CE), Powerspine (PSB/PSN)
Übergeordnete Ziele sind:
- Verbesserung der Aktivitäten im Alltag und Teilhabe am öffentlichen Leben
- Erhaltung und Verbesserung der psychischen Integrität
- Vermeidung von Chronifizierungsprozesse
*Bei der männlichen Form ist selbstverständlich immer auch die weibliche Form mit gemeint.
Der ideale MKT-Patient
Der ideale MKT-Patient geht aktiv mit seinem Rückenproblem um. Er bricht aus dem langjährigen, symptomatisch dominierten Therapiekreislauf aus und beugt so einer weiteren Chronifizierung der Krankheit vor. Er ist motiviert, eine wirksame Therapie durchzuführen, die objektiv und subjektiv gute Resultate liefert. Es bestehen keine Ansprüche auf Rentenbegehren oder andere Faktoren eines sekundären Krankheitsgewinns. Er ist interessiert daran, den Therapieerfolg über Jahre zu erhalten, und bereit, nach Therapieende Krafttraining zu betreiben. Der ideale MKT-Patient verbessert seine Lebensqualität und schont langfristig das gesellschaftliche Gesundheitsbudget.
Zuletzt aktualisiert am 14.06.2021
3. Auswahlkriterien, Indikationen und Kontraindikationen
Auswahlkriterien
Die Medizinische Kräftigungstherapie hat zwei Anwendungsbereiche, welche die Auswahlkriterien beeinflussen:
1) zur Funktionsdiagnostik von LWS und HWS:
- vor Therapiebeginn zur Indikationsstellung
- als Therapie- und Erfolgskontrolle
- bei gutachterlichen Stellungnahmen für Dritte
- zur Leistungsdiagnostik
- als Screening-Instrument bei wissenschaftlichen oder arbeitsmedizinischen Fragestellungen
2) zur Behandlung:
- primär konservativ bei chronischen bzw. chronisch rezidivierenden HWS / LWS-Schmerzsyndromen unterschiedlicher Ätiologie und zur Vermeidung der Chronifizierung
- subakuten Krankheitsbildern von LWS / HWS minimal 4 Wochen nach Erstereignis
- ultima ratio vor neurochirurgischen oder orthopädisch-chirurgischen Interventionen, sofern keine absolute OP-Indikation und keine Kontraindikationen zur MKT bestehen
- zur postoperativen Rehabilitation (nach Laminektomie / Disektomie frühestens 8 Wochen postoperativ, nach Wirbelkörper-Fusion frühestens 12 Wochen postoperativ)
- Individualprävention bei nachgewiesenen Risikofaktoren und beruflicher Exposition
Für die Indikationsstellung zur MKT müssen folgende Auswahlkriterien erfüllt sein:
- Der Patient ist ärztlich untersucht worden, Befunderhebung und Diagnosestellung nach ICD 10 oder ICF sind erfolgt.
- Die Symptomatik ist mit einer Funktionsbeeinträchtigung im Alltag des Patienten verbunden, bzw. es besteht dafür ein großes Risiko.
- Es liegt eine medizinische Behandlungsindikation vor, Kontraindikationen bestehen nicht.
- Der Patient ist für die aktive und anstrengende Behandlung motiviert, diese ist ihm zumutbar.
- Es sind individuelle Behandlungsziele formuliert worden.
- Diese Behandlungsziele können mit unspezifischen physikalischen bzw. medikamentösen Maßnahmen nicht dauerhaft erreicht werden, oder die Erkrankung war bislang therapieresistent.
- Der Patient zeigt bei der initialen Funktionsdiagnostik einen Befund mit wenigstens zwei der nachfolgenden primären Kriterien bzw. ein primäres und beide sekundären Kriterien (Ausnahme: Kontraindikation der Funktionsdiagnostik):
Behandlungskriterien nach Funktionsdiagnostik von HWS bzw. LWS
Primäre Kriterien:
- Eingeschränkter Bewegungsumfang (Range Of Motion = ROM) um mehr als 10 % bei Fehlen ursächlicher klinischer Gründe (WK-Fusion, alte Frakturen etc.) bzw. anatomischer Gründe wie ausgeprägter Adipositas.
- Reduzierte Kraft in der Flexion: Das ermittelte Defizit in der maximal möglichen Flexion ist größer als 15 % des alters- und geschlechtsspezifischen, gewichtskorrigierten Normwertes.
- Reduzierte Kraft in der Extension: Das ermittelte Defizit in der maximal möglichen Extension ist größer als 15 % des alters- und geschlechtsspezifischen, gewichtskorrigierten Normwertes.
Sekundäre Kriterien:
- Intramuskuläre Dysbalance: Der Kraftkurvenverlauf weist im getesteten ROM bei wenigstens zwei Messpunkten eine Differenz von 20 % oder mehr des physiologischen Verlaufs auf.
- Reduzierte Kraft in einer mittleren Messposition: Das ermittelte Defizit in einer Position zwischen maximal möglicher Extension und Flexion ist größer als 15 % des alters- und geschlechtsspezifischen, gewichtskorrigierten Normwertes.
Indikationen:
- Chronische bzw. rezidivierende bandscheibenbedingte Schmerzsyndrome der HWS und LWS:
- lokales Zervikalsyndrom
- zervikozephales Syndrom
- zervikobrachiales Syndrom
- zervikales Wurzelsyndrom
- lokales Lumbalsyndrom
- lumbales Facettensyndrom
- lumbales Wurzelsyndrom
- Spinalkanalstenose
- Posttraumatische Zustände der Wirbelsäule mit chronischer bzw. rezidivierender Schmerzsymptomatik:
- konsolidierte Wirbelkörperfrakturen
- posttraumatisches Zervikalsyndrom (Beschleunigungsverletzungen der HWS)
- Postoperative Zustände der Wirbelsäule nach neurochirurgischer oder orthopädischer Intervention:
- 4-6 Wochen nach Bandscheibenoperation oder Laminotomie
- 12 Wochen nach Wirbelkörperfusionsoperation (bei Verwendung von Spongiosaspänen jedoch erst nach knöcherner Konsolidierung)
- Insbesondere bei folgenden Diagnosegruppen:
- Spondylolyse, Spondylolisthese
- Fehlstatik (z.B. Skoliose)
- Osteoporose
- ICD: insbesondere bei Diagnosen aus folgenden Gruppen, sofern keine Kontraindikationen für eine intensive körperliche Belastung oder den therapeutischen Muskelaufbau bestehen:
Code | Beschreibung | Name der Erkrankung (Synonyme) |
M40 | Kyphose und Lordose | Kyphose, Lordose, Flachrücken |
M41 | Skoliose | Skoliose, Kyphoskoliose, Idiopathische Skoliose, Adoleszentenskoliose, Thoraxbedingte Skoliose, Neuromyopathische Skoliose, Skoliose nach Zerebralparese, Friedreich-Ataxie, Poliomyelitis und sonstigen neuromuskulären Krankheiten, Sekundäre Skoliose |
M42 | Osteochondrose der Wirbelsäule | Juvenile Osteochondrose der Wirbelsäule, Osteochondrose der Wirbelsäule (Osteochondrosis intervertebralis), Scheuermann-Krankheit, Vertebra plana (Calvé-Krankheit) |
M43 | Sonstige Deformitäten der Wirbelsäule und des Rückens | Spondylolyse, Spondylolisthesis, Sonstige Wirbelfusion, Ankylose eines Wirbelgelenkes, Habituelle atlanto-axiale Subluxation,
Sonstige habituelle Wirbelsubluxation, Tortikollis, Wirbelsäulenverkrümmung o. n.A. |
M45 | Spondylitis ankylosans | Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew) |
M46 | Sonstige entzündliche Spondylopathien | Spinalle Enthesopathie, Sakroiliitis, Wirbelosteomyelitis (siehe Osteomyelitis),
Bandscheibeninfektion (Spondylodiszitis), Diszitis,Infektiöse Spondylopathie, Entzündliche Spondylopathie |
M47 | Spondylose | Spondylose (Spondylosis deformans), Arthrose der Wirbelsäule (Arthrose der Wirbelsäule, Osteoarthrose der Wirbelsäule),Arteria-spinalis-anterior-Kompressionssyndrom, Arteria-vertebralis Kompressionssyndrom, Lumbosakrale Spondylose, Thorakale Spondylose,
Zervikale Spondylose, Chondrose |
M48 | Sonstige Spondylopathien | Spinalkanalstenose (Spinalstenose), Spondylitis hyperostotica (Morbus Forestier-Ott, Diffuse idiopathische Skeletthyperostose,DISH), Baastrup-Syndrom, Traumatische Spondylopathie, Ermüdungsbruch (Stressfraktur) eines Wirbels,Wirbelkörperkompression, Keilwirbel, Ossifikation des Lig. longitudinale posterius (OPLL-Syndrom), Spondylopathie |
M49 | Spondylopathien bei anderenorts klassifizierten Krankheiten | Tuberkulose der Wirbelsäule, Pott-Gibbus, Spondylitis brucellosa, Spondylitis durch Enterobakterien, Neuropathische Spondylopathie bei
Syringomyelie und Syringobulbie,Neuropathische Spondylopathie bei Tabes dorsalis, Wirbelfraktur infolge von Metastase |
M50 | Zervikale Bandscheibenschäden | Zervikale Bandscheibenschäden mit Zervikalneuralgie, Zervikothorakale Bandscheibenschäden, Zervikaler Bandscheibenschaden mit Myelopathie, Zervikaler Bandscheibenschaden mit Radikulopathie, Zervikale Bandscheibenverlagerung, Zervikale Bandscheibendegeneration, Brachialgie |
M51 | Sonstige Bandscheibenschäden | Thorakale, thorakolumbale und lumbosakrale Bandscheibenschäden, Lumbale und sonstige Bandscheibenschäden mitMyelopathie, Lumbale und sonstige Bandscheibenschäden mit Radikulopathie, Ischialgie durch Bandscheibenschaden,Lumbago durch Bandscheibenverlagerung, Sonstige näher bezeichnete Bandscheibendegeneration, Schmorl-Knötchen |
M52 | (nicht vergeben) | – |
M53 | Sonstige Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens, anderenorts nicht klassifiziert | Zervikozephales Syndrom, Sympathisches hinteres Zervikal-Syndrom, Zervikobrachial-Syndrom, Instabilität der Wirbelsäule, Kokzygodynie |
M54 | Rückenschmerzen | Rückenschmerzen, Pannikulitis, Radikulopathie, Brachiale Neuritis (Brachiale Radikulitis), Lumbale Neuritis (Lumbale Radikulitis), Lumbosakrale Neuritis (Lumbosakrale Radikulitis), Thorakale Neuritis (Thorakale Radikulitis), Radikulitis,Zervikalneuralgie, Ischialgie, Lumboischialgie, Kreuzschmerz, Lendenschmerz, Lumbago, Überlastung in der Kreuzbeingegend, Schmerzen im Bereich der Brustwirbelsäule, Brachialgie |
M62 | Sonstige Muskelkrankheiten | Muskeldiastase, nichttaumatischer Muskelriss, Ischämischer Muskelinfarkt (Muskelinfarkt), Immobilitätssyndrom (Paraplegisches Immobilitätssyndrom), Muskelkontraktur, Muskelschwund, Muskelatrophie, Inaktivitätsatrophie, Muskelzerrung, Muskelhernie, Muskelscheidenhernie |
M80 | Osteoporose mit pathologischer Fraktur | Osteoporose mit pathologischer Fraktur, Osteoporotische Wirbelkörperkompression, Keilwirbel, Postmenopausale Osteoporose mit pathologischer Fraktur, Osteoporose mit pathologischer Fraktur nach Ovarektomie, Inaktivitätsosteoporose mit pathologischer Fraktur, Osteoporose mit pathologischer Fraktur infolge Malabsorption nach chirurgischem Eingriff, Arzneimittelinduzierte Osteoporose mit pathologischer Fraktur |
M81 | Osteoporose ohne pathologische Fraktur | Postmenopausale Osteoporose, Osteoporose nach Ovarektomie, Inaktivitätsosteoporose, Osteoporose infolge Malabsorption nach chirurgischem Eingriff, Arzneimittelinduzierte Osteoporose, Idiopathische Osteoporose, Lokalisierte Osteoporose [Lequesne], Senile Osteoporose |
M82* | Osteoporose bei anderenorts klassifizierten Krankheiten | Osteoporose bei Plasmozytom, Osteoporose bei endokrinen Störungen |
Kontraindikationen
Kontraindiziert ist die Therapie für alle Zustände bei der die knöcherne Stabilität nicht gegeben ist. Bei Unklarheit ist ein diagnostisches, bildgebendes Verfahren erforderlich.
Absolute Kontraindikationen:
- Neoplasma der Wirbelsäule bzw. Metastasen
- akute oder nicht konsolidierte / instabile Frakturen an der Wirbelsäule
- Spinale Infektionen
- Kaudasyndrom, radikuläre und medulläre Syndrome mit progredienten neurologischen Defiziten
- Aortenaneurysma
- Augen- oder Abdominalchirurgie 6 Wochen vor Beginn der MKT
- reduzierter Allgemeinzustand bei chronisch-konsumierenden Erkrankungen bzw. malignen Systemerkrankungen
- operative Wirbelsäuleneingriffe in der frühen postoperativen Phase (s. Seite 7).
Relative Kontraindikationen:
- frakturgefährdende, osteoporotische Zustände bzw. Osteomalazie
- akutes Nervenwurzelsyndrom
- entzündlich-rheumatische Erkrankungen im entzündlichen Schub
- Zustände, die eine Erhöhung des intraabdominalen Druckes verbieten
- Psychosen und Klaustrophobie
- Schwangerschaft
- schwere, nicht eingestellte Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Hypertonie, KHK, Arrhythmien)
- schwere pulmonale Erkrankungen (Asthma bronchiale, COPD)
- mangelhafte Motivation auf Seiten des Patienten.
Zuletzt aktualisiert am 14.06.2021
4. Qualitätssicherungs – Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität
Dieser Abschnitt beschreibt die Struktur-, die Prozess- und Ergebnisqualität. Wesentliche Aspekte einer gesicherten Qualität der Medizinischen Kräftigungstherapie wurden in diesen Leitlinien bereits genannt. Dazu zählen definierte Zugangskriterien, sowie eine standardisierte Methodik und Dokumentation. Dieser Abschnitt beschreibt die Strukturqualität wie Einrichtung und technische Voraussetzungen, Qualifikation und Fortbildung des Personals und die Sicherung der Ergebnisqualität.
Strukturqualität – Einrichtung – Personal
Einrichtung und technische Voraussetzungen
- wenigstens ein Gerät zur Testung und Therapie im LWS-Bereich entsprechend den Kriterien aus Abschnitt 2
- apparative Möglichkeit für ein Krafttraining wichtiger Gruppen der Rumpf und Stützmuskulatur:
- Großer Rückenmuskel
- Großer Brustmuskel
- Trapezmuskel
- Gerader Bauchmuskel
- Schräge Bauchmuskulatur
- Großer und mittlerer Gesäßmuskel
- Oberschenkelbeuger
- Oberschenkelstrecker
- Deltamuskel
- separater ärztlicher Untersuchungsraum
- ausreichender Hygiene- und Sanitärbereich mit Garderobe und Duschen
- die Geräte erlauben ein Training über den gesamten Bewegungsumfang unter Berücksichtigung der physiologischen Kraftkurve
- Möglichkeit zum selbständigen Training an hierfür geeigneten Geräten zur aktiven Erhaltung des Therapieergebnisses.
Personal, Qualifikation und Fortbildung
- Der Bereich Medizinische Kräftigungstherapie wird ärztlich geleitet.
- Der leitende Therapeut ist Physiotherapeut / Krankengymnast, Sportwissenschaftler oder Angehöriger eines Heilberufes (z.B. Medizinisch-technische Fachangestellter)
- Der Arzt und alle Therapeuten haben eine standardisierte Ausbildung in einem der GMKT lizenzierten Ausbildungsbetrieben nach den Anforderungen der GMKT erfolgreich für jeweils alle Therapiegeräte absolviert, die in der Praxis eingesetzt werden.
- GMKT-D Ausbildungszentren (Stand 2021): Atos-Klinik München (Bernd Sigl), Medaix Aachen (Ruth Hendrix), Orthopädische Privatpraxis Dr. Alfen (Anton Högele), Kiesertraining Akademie Köln
- Die Therapeuten haben ein einwöchiges Praktikum in einer seit mindestens einem Jahr bestehenden Praxis für MKT absolviert.
- Der Arzt und alle Therapeuten verfügen über Kenntnisse der Medizinischen Kräftigungstherapie sowie der Geräte des Ergänzungsprogramms und können diese durch einen Prüfungsnachweis belegen.
- Ein Vertreter der Praxis nimmt nach Möglichkeit alle 2 Jahre an den stattfindenden Anwendertreffen oder Kongress der GMKT teil.
- Die Entscheidung ob und an wen der Arzt eine Leistung delegiert, ob er den betreffenden Mitarbeiter ggf. besonders anzuleiten und wie er ihn zu überwachen hat, muss der Arzt von der Qualifikation des jeweiligen Mitarbeiters abhängig machen.
Prozessqualität – Therapieablauf – Therapieprotokolle
Ein optimaler Behandlungserfolg am Patienten bedarf – wie die wissenschaftliche Evaluation und Qualitätssicherung – einer standardisierten Methodik und einheitlichen Terminologie.
Jeder MKT-Mitarbeiter muss deshalb folgende Fertigkeiten an den Geräten beherrschen:
- Kalibrierung der Geräte
- den Umgang mit PC, Software und Sicherung der Patientendaten
- die exakte Fixation der Patienten und die Modifizierungen der Einstellung
- die Ermittlung und Einstellung des Gegengewichts für Kopf / Oberkörper
- Test, Erweiterung und Einstellung des Bewegungsumfanges (ROM)
- die Ermittlung der Trainingszeit und des jeweiligen Trainingsgewichtes
- die Kontrolle der Trainings- bzw. Testausführung, optimale Patienteninstruktion
- die Auswertung und Interpretation der Ergebnisse
- die Instruktion an den Geräten des Ergänzungsprogrammes.
Isometrischer Maximalkraft-Test
Ein Test wird über den individuell möglichen ROM, an mindestens drei Positionen durchgeführt:
- Das Einüben des Testablaufes durch ein Lernprocedere wird vor Durchführung des ersten Krafttestes empfohlen
- Maximalkraft-Test (Test nach 60 – 90 Sekunden Aufwärmen mit geringem Gewicht)
Messungen in anderen Positionen sind bei speziellen Fragestellungen möglich. Normalerweise werden immer Tests bei einer Therapieserie gemacht. Ausnahmen können Zustände sein, die den absoluten und relativen Kontraindikationen für eine MKT entsprechen. Der Bezug zu den Normwerten ist geschlechtsspezifisch, für die Lumbar-Extension zusätzlich altersspezifisch und gewichtskorrigiert. Es werden die Normalwerte der Universität von Florida, Center for Exercise sciences, zugrunde gelegt. Als Strength-Index (= SI) wird die Fläche unter der interpolierten Kraftkurve bezeichnet. Diese wird automatisch im Computer ermittelt und korreliert positiv mit den Kraftwerten der Messpunkte und dem Bewegungsumfang. Darüber hinaus können als Referenzwerte auch die Daten aus der Normdatenerhebung der GMKT (2011-2019) genommen werden.
Dynamisches konzentrisch-exzentrisches Training (= dyn-max)
Das Training erfolgt:
- über den individuell definierten, schmerzfreien Bewegungsumfang (ROM)
- bis zur lokalen Erschöpfung der LWS / HWS-Extensoren nach 10-12 Wiederholungen
- unter Messung der Zeit unter Belastung
- im Mindestabstand von 48h
- submaximal, d.h. nicht bis zur lokalen Erschöpfung der LWS / HWS-Extensoren in der ersten Therapiesitzung (= dyn-submax)
ROM Einschränkungen bei entspr. Diagnosen bzw. allgemeine Vorgaben
Neben der Anpassung des ROM an die individuelle Beweglichkeit und dem Schmerzempfinden, sollten auch die klinischen Indikationen berücksichtigt werden. Bei degenerativen Erkrankungen wie Stenosen, Spondylolisthesen, Spondylarthrosen sollte der ROM in Extension eingeschränkt werden. Für Prolaps-Patienten kann eine Einschränkung in Flexion sinnvoll sein.
Ergänzungsprogramm (=EP)
Jede MKT umfasst neben der spezifischen Kräftigung der Wirbelsäulenextensoren ein begleitendes Training der Rumpf- und Stützmuskulatur.
Dazu gehören:
- ein individueller Trainingsplan
- die Einbeziehung von mindestens 5 bis 6 großen Muskelgruppen
- die individuelle Überwachung des EP durch einen Therapeuten
- eine Dokumentation der Geräte, Einstellungen und Trainingszeit.
Nachkontrolle (= NK 12)
12 Monate nach Beendigung einer Therapie wird jeder Patient zu einer Nachkontrolle des Therapieergebnisses eingeladen. Dieses Vorgehen ist ein wichtiges Instrument zur Erhebung der Daten für die Auswertung der Ergebnisqualität und Langzeitwirkung der MKT.
Erhoben werden dabei:
- subjektives Befinden: Fragebogen
- Bewegungsumfang: ROM-Ermittlung
- Isometrischer Maximalkraft-Test
Kombination mit anderen Therapieverfahren
Die MKT sollte nicht im Rahmen einer polypragmatischen Therapie eingesetzt werden. Daher sollten andere Anwendungen wie:
- Physikalische Therapien (wie Wärme, Ultraschall, Stromanwendungen)
- Krankengymnastik
- Bäder und Massagen
- Chirotherapie und Neuraltherapie
- Akupunktur etc. vor Beginn einer MKT abgeschlossen sein.
In Einzelfällen kann es nach ärztlicher Bewertung erforderlich sein, mit gezielten schmerz-therapeutischen Maßnahmen wie Chirotherapie, Manueller Therapie oder therapeutischer Lokalanästhesie (TLA) die MKT zu unterstützen oder überhaupt erst zu ermöglichen.
Therapieprotokoll
Die Therapieeinrichtungen verpflichten sich die Therapie mittels eines Protokolls zu erfassen.
Ergebnisqualität – Ziele der Medizinischen Kräftigungstherapie
Das ideale Ergebnis der MKT ist ein chronischer Wirbelsäulenpatient, der in seiner Funktion nicht mehr eingeschränkt oder erheblich verbessert und beschwerdefrei ist bzw. signifikant weniger Schmerzen hat. Das Kraftniveau der autochthonen Wirbelsäulenmuskulatur hat sich normalisiert, die Beweglichkeit ist verbessert und der Patient bewegt und belastet sich wieder in einem normalen Bewegungsmuster. Dieses Ergebnis lässt sich objektivieren und bleibt nach Abschluss der Therapie bestehen. Der Betroffene hat einen aktiven Umgang mit seiner Krankheit erlernt.
Dauer der MKT
Die Erfahrungen mit dieser Therapie aus den letzten 30 Jahren in über 100 Therapiezentren erbrachte die Erkenntnis, dass die MKT i.d.R. mit 18 bis maximal 25 Therapiesitzungen nachweislich zu den besten Ergebnissen führt. Mehr als 25 Sitzungen sind selten indiziert, bedürfen einer ärztlichen Begründung und sollten auch von den Kostenträgern sorgfältig geprüft werden. In Einzelfällen kann auch mit weniger Therapiesitzungen ein Erfolg erzielt werden.
Prozedere nach der Medizinischen Kräftigungstherapie
Ein wesentliches Ziel der Therapie ist, dass der Patient nach deren Abschluss gesundheitliche Eigenverantwortung übernimmt. Während der MKT – unter ärztlicher Führung und therapeutischer Anleitung – hat er erfahren, dass er seinen Rücken wieder belasten kann und dies zur Konsolidierung des Behandlungsergebnisses auch muss.
Für das weitere Vorgehen werden folgende zwei Möglichkeiten empfohlen:
- Der Patient trainiert ein- bis zweimal pro Woche in einem gut geführten Krafttrainingszentrum an qualitativ hochwertigen Geräten nach sorgfältiger Instruktion. Der Arzt empfiehlt ein optimales Trainingsprogramm. Erfahrungen haben gezeigt, dass damit in den meisten Fällen das Therapieresultat über Jahre erhalten werden kann. Dies ist für die allgemeine Gesundheitsförderung eine attraktive Möglichkeit bei günstigem Kosten/ Nutzen-Verhältnis und geringem Zeitaufwand.
- Studien belegen, dass mit einer dynamischen Trainingseinheit alle 3 bis 4 Wochen für die LWS, resp. alle 2 Wochen für die HWS die Kraft der isolierten autochthonen Muskeln erhalten werden kann. Eine zeitlich attraktive Lösung, aber nur auf den Rücken beschränkt und finanziell aufwendig.
- Die Kombination eines regelmäßigen Krafttrainings ein- bis zweimal pro Woche mit einer dynamischen Trainingseinheit der autochthonen Wirbelsäulenmuskulatur alle 3 bis 4 Wochen wird als optimal angesehen.
Qualitätszirkel
- interne Qualitätszirkel: Treffen aller Praxismitarbeiter, alle 2 Wochen
- Vorstandssitzungen der GMKT: 6x jährlich
- GMKT-Kongress / Anwendertreffen: 1x alle 2 Jahre
- GMKT-Mitgliederversammlung: 1x jährlich
Diese Treffen dienen neben dem Informations- und Erfahrungsaustausch insbesondere der Bewertung der Ergebnisse der MKT, auf der Ebene der Einzelpraxis bis auf diejenige aller Anwender. Die Qualitätszirkel werden protokolliert.
Sicherung der Ergebnisqualität
Verantwortlich für die Qualitätssicherung der MKT ist der Vorstand der GMKT. Dieser bestimmt aus seinen Mitgliedern ein Gremium als Ansprechpartner. Der Vorstand informiert die Mitglieder der GMKT regelmäßig – mindestens aber einmal im Jahr – über die Tätigkeit im Berichtszeitraum.
Folgende Instrumente stehen für die Sicherung der Ergebnisqualität zur Verfügung:
innerbetrieblich
- kontinuierliche standardisierte Auswertung aller Behandlungsergebnisse
- 1x jährlich MKT-Statistik an den GMKT-Vorstand
- Analyse aller Therapieabbrüche und unerwünschten Therapiewirkungen
- Nachuntersuchungen 12 Monate nach Therapieende (NK 12)
- einheitliche Dokumentation und Methodik gemäß diesen Leitlinien
- interne Qualitätszirkel
außerbetrieblich
- kontinuierliche Auswertung wissenschaftlicher Veröffentlichungen und jährliche Prüfung der Aktualität dieser Leitlinien
- intensive nationale und internationale Kommunikation und Kooperation mit wissenschaftlichen Gremien, medizinischen / ärztlichen Fachverbänden und standespolitischen Organen.
- regelmäßige Anwendertreffen
Abrechnung
Die Abrechnung erfolgt analog der amtlichen Bekanntmachung des Gebührenordnungsausschusses der Bundesärztekammer entsprechend er Veröffentlichung des deutschen Ärzteblattes (Jg. 99/Heft 3/ 18. Januar 2002).
Dokumentation
Alle nach diesen Leitlinien tätigen Zentren nutzen eine umfassende Dokumentation. Ein solcher Standard sichert die Qualität der MKT und ermöglicht darüber hinaus den Vergleich der Behandlungsergebnisse sowie das Zusammenfassen anonymisierter Patientendaten zur Ergebnisevaluation und wissenschaftlichen Begleitung. Im Einzelfall kann eine begonnene Therapie so ohne Informationsverlust in einem anderen Zentrum fortgesetzt werden. Grundsätzlich geschieht nichts ohne Dokumentation. Jeder Therapiebestandteil ist transparent und nachvollziehbar. Dies dient als Beleg wie auch für die Abrechnung, für die interne Qualitätssicherung und für die externe Supervision bei unerwartetem Behandlungsverlauf. Jede Patientenakte enthält alle wesentlichen Informationen und ermöglicht Ärzten und Therapeuten eine schnelle Information zu allen relevanten Fragen. Die Dokumentation wird kontinuierlich geführt und nach dem Ende der Behandlung für mindestens 10 Jahre aufbewahrt. Sie muss folgende Angaben beinhalten:
- wesentlichen Angaben zum Patienten
- die Aufzeichnung der ärztlichen Befunddokumentation
- dem vom Patienten gegengezeichneten Aufklärungsbogen
- die Ergebnisse der Schmerzbefragung
- die Dokumentation aller durchgeführten Einzelmaßnahmen, aller Geräteeinstellungen und den Trainingsergebnissen
- Dokumentation des Ergänzungsprogrammes
- die Computerausdrucke der isometrischen Maximalkrafttests
- den Follow-Up-Fragebogen und den Befunden des isometrischen Maximalkrafttests 12 Monate nach Therapieende (NK 12)
- dem vollständigen zum Patienten geführten Briefwechsel mit Kostenträgern sowie Befunden von anderen Ärzten.
Zuletzt aktualisiert am 14.06.2021
5. Wissenschaftliche Grundlagen
Wissenschaftliche Studien belegen einen eindeutigen Zusammenhang zwischen chronischen Rückenbeschwerden und dem lokalen Abbau sowie der intramuskulären Verfettung der autochthonen Rückenstreckmuskulatur, insbesondere im Bereich des. m. multifidus (Goubert et al., 2016). Studien zu Nackenbeschwerden kamen zu gleichen Ergebnissen bezüglich der Nackenstreckmuskulatur (Schomacher und Falla, 2013). Während sich akute Rückenbeschwerden meist in einer kurzfristigen Beeinträchtigung (Inhibition) des neuromuskulären Zusammenspiels auswirken, kommt es im Laufe der Chronifizierung des Rückenschmerzes immer weiter zu einem Abbau der autochthonen Rückenmuskulatur (Hodges et al., 2019). Diesem „Dekonditionierungsprozess“, der zudem durch psycho-soziale Faktoren beeinflusst wird, muss im Rahmen einer Rückentherapie laut aktuellem Stand der Forschung gezielt entgegengewirkt werden (Steele et al., 2016).
Steele und Kollegen verglichen in einem Übersichtsartikel verschiedene Trainingskonzepte bezüglich ihrer Effektivität, die autochthonen Rückenstreckmuskulatur zu trainieren. Sie kamen zum Entschluss, dass für eine gezielte Kräftigung eine Beckenstabilisierung und eine spezielle Sitzposition notwendig ist, die die Aktivität der Hilfsmuskulatur (m.gluteus, m.ischiocruralis), die bei der Rumpfstreckung beteiligt sind, maximal minimieren (Steele et al., 2013). Therapiemaschinen, welche für die Anwendung der MKT in Frage kommen (MedX LE/CE, Powerspine PSB/PSN)
In den letzten 30 Jahren wurden eine Vielzahl an Studien zu isoliertem Training der Lumbalextensoren für die Behandlung von Rückenbeschwerden durchgeführt (Steele et al., 2015). Eine systematische Analyse dieser Studien ergab eine durchweg sehr gute klinische Wirksamkeit und deutliche Steigerung der isometrischen Streckkraft (Steele et., 2015). Höhere Kraftzuwächse beim isometrischen Krafttest während der MKT korrelieren dabei linear mit einem besseren klinischen Zustand (Steele et al., 2018). Neben der Reduzierung der Schmerzen kommt es auch zu einer verbesserten psycho-sozialen Funktionalität (Risch et al., 1993). Auch mit einem gezielten Training der Nackenmuskulatur kann die lokale Kraft und die Beweglichkeit verbessert werden. In einer Studie von Highland und Kollegen wurden dadurch Schmerzen signifikant reduziert (Highland et al., 1992).
In Minnesota wurden 895 Patienten, welche alle zuvor mindestens seit 2 Jahren an chronischen Lumbalbeschwerden litten und durchschnittlich 6 verschiedene Therapien (inklusive Operationen) durchlaufen hatten, einer Medizinischen Kräftigungstherapie an MedX-Geräten unterzogen. 76% dieser chronischen, therapie-resistenten Patienten zeigten gute bis sehr gute Therapieresultate. In einer Nachkontrolle, 13 Monate später, zeigten 94 % dieser Patienten gleich gute oder sogar bessere subjektive und objektive Resultate als bei Therapieende (Nelson et al., 1995).
Weitere Studien belegen zudem die Möglichkeit durch MKT Wirbelsäulenoperationen zu vermeiden. 46 Patienten, bei denen die Indikation für eine Operation entweder an der HWS oder an der LWS gestellt wurde, sind einer intensiven Medizinischen Kräftigungstherapie unterzogen worden. 38 dieser Patienten konnten ein Jahr später nachkontrolliert werden, davon wurden nur 3 Patienten in der Zwischenzeit operiert (Nelson et al., 1999). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die Würzburger Fallstudie. Von insgesamt 857 Patienten mit OP Indikationen konnten durch die MKT 90% (n=769) der OPs vermieden werden.
Selbst älteren Menschen ist es möglich von Krafttraining zu profitieren. In einer Studie konnten Menschen mit einem Durchschnittsalter von 90 Jahren mit einem Maximalkrafttraining des Quadriceps während einem Zeitraum von 3 Monaten ihre Kraft um durchschnittlich 174 % gesteigert. Die Muskelmasse nahm um 9 % zu. Die Gehgeschwindigkeit und Gangsicherheit konnten wesentlich verbessert werden (Fiatarone et al., 1990)
Literatur:
Goubert D, Oosterwijck JV, Meeus M, Danneels L. Structural Changes of Lumbar Muscles in Non-specific Low Back Pain: A Systematic Review. Pain Physician. 2016;19(7):E985-E1000.
Hodges PW, Danneels L. Changes in Structure and Function of the Back Muscles in Low Back Pain: Different Time Points, Observations, and Mechanisms. J Orthop Sports Phys Ther. 2019;49(6):464-476.
Steele J, Bruce-Low S, Smith D. A reappraisal of the deconditioning hypothesis in low back pain: review of evidence from a triumvirate of research methods on specific lumbar extensor deconditioning. Curr Med Res Opin. 2014;30(5):865-911.
Steele J, Bruce-Low S, Smith D. A review of the specificity of exercises designed for conditioning the lumbar extensors. Br J Sports Med. 2015 Mar;49(5):291-7.
Schomacher J, Falla D. Function and structure of the deep cervical extensor muscles in patients with neck pain. Man Ther. 2013 Oct;18(5):360-6.
Steele J, Bruce-Low S, Smith D. A review of the clinical value of isolated lumbar extension resistance training for chronic low back pain. PM R. 2015 Feb;7(2):169-87.
Steele J, Fisher J, Perrin C, Conway R, Bruce-Low S, Smith D. Does change in isolated lumbar extensor muscle function correlate with good clinical outcome? A secondary analysis of data on change in isolated lumbar extension strength, pain, and disability in chronic low back pain. Disabil Rehabil. 2019 Jun;41(11):1287-1295.
Risch SV, Norvell NK, Pollock ML, Risch ED, Langer H, Fulton M, Graves JE, Leggett SH. Lumbar strengthening in chronic low back pain patients. Physiologic and psychological benefits. Spine (Phila Pa 1976). 1993 Feb;18(2):232-8.
Highland TR, Dreisinger TE, Vie LL, Russell GS. Changes in isometric strength and range of motion of the isolated cervical spine after eight weeks of clinical rehabilitation. Spine (Phila Pa 1976). 1992 Jun;17(6 Suppl):S77-82.
Nelson BW, Carpenter DM, Dreisinger TE, Mitchell M, Kelly CE, Wegner JA. Can spinal surgery be prevented by aggressive strengthening exercises? A prospective study of cervical and lumbar patients. Arch Phys Med Rehabil. 1999 Jan;80(1):20-5.
Nelson BW, O’Reilly E, Miller M, Hogan M, Wegner JA, Kelly C. The clinical effects of intensive, specific exercise on chronic low back pain: a controlled study of 895 consecutive patients with 1-year follow up. Orthopedics. 1995 Oct;18(10):971-81.
Fiatarone MA, Marks EC, Ryan ND, Meredith CN, Lipsitz LA, Evans WJ. High-intensity strength training in nonagenarians. Effects on skeletal muscle. JAMA. 1990 Jun 13;263(22):3029-34.
Zuletzt aktualisiert am 14.06.2021
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